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…..es kam das Jahr 1914 mit dem für die Zucht katastrophalen Schlag. Wieder war es nur das Zuwiderhandeln gegen die obrigkeitlichen Verfügungen, das eine gänzliche Vernichtung der Rasse verhindern sollte. Die Kriegsmobilisierung hat alles an Huzulen aufgegriffen, dessen sie habhaft wurde. Die Evakuierung bei der Vorrückung der russischen Armee nahm den Rest in der Huzulei von Kirlibaba bis Zabie und Warochta, nahm alles, was Folge leistete, was sich nicht verbarg.

Der gesamte Gestütsbestand Luczyna, bis auf die im Vorjahr gegen Revers an Bauern übergebenen „zu kleinen“ Tarpan-Fohlen und Ausgemusterten von 1914, marschiert nach Südwest über das Gebirge, wird in Ungarisch-Bystritz einwaggoniert und nach Innerösterreich abtransportiert- - - - -

Über den Tälern der Huzulei donnern die Geschütze. Die Gebäude der Luczyna brennen ab. Der Forstsaum ihrer Weiden wird zerschossen, wird gefällt: kahl und verkohlt ragen zersplitterte Stämme auf, wo die Waldriesen gestanden. Das Herz der Huzulei ist heiß und blutig umkämpft.

Zabie geht in Flammen auf. Von Kirlibaba über den hohen Capul, über den Bärenquell durch die Wildnis, vorbei am Ursprung des schwarzen Czeremosz und hinauf entlang dem Kamm der Czerna Hora ziehen sich die Schützengräben der Deutschen und der Österreicher – jenseits des Czeremosz die der anderen auf den Poloninen. Die Weiden aufgewühlt, versengt. Feldbahnen, Prügelwege und Raupen führen durch Urwald und Wildnis. Dahinter entstehen über Nacht Barackendörfer und Spitäler, Laboratorien, Gemüsegärten und Bergwerke, Sauerquellfabriken, Lichtermeere, Friedhofsdenkmäler und sonstige Wunder deutscher Technik und Organisation in Urwald und Sumpf.

Dazwischen aber, zwischen den feindlichen Linien, dort und da, wo tief unten das Tal des Czeremosz einsichtig wird, die Kämme über seinen Ufern auseinanderweichen oder den Gegnern keinen Vorteil bieten, herrscht Urzustand und Stille. Tiefste Stille meilenweit entlang des Czeremosz – bis auf das Heulen der Granaten quer über das Tal bei Tag und das Heulen der Wölfe bei Nacht. Eine schwere, bange Zeit für die Huzulengreise und die fahnenflüchtigen Jungen, die sich und ihre Schafe und Tarpane hier zwischen den Fronten in Schluchten und Bergkesseln versteckt halten. Bang für die Hirsche und Bären, die, vom Kriegslärm verscheucht, dahin in den Urwald Zuflucht nehmen. Eine üppige Zeit für die Geier, die unter den Kreuzen und Helmen der größten Entente, diesseits und jenseits, scharren und sich kreischend um ein erloschenes Auge zanken. - - -

Der Kriegslärm ging vorbei. Asche vertrug der Wind – Erde blieb. Und die Bergsonne darüber. Da und dort brachte ein Huzul seine Stute oder ihr inzwischen groß gewordenes Fohlen und sein weniges Vieh aus dem Wald; da und dort holte eine Dzwinka ihren Dobosz mit Pferd, Hab und Gut aus dem Versteck, kehrten Kriegskrüppel heim und nahmen ihr Tagwerk auf. Und da zeigte es sich, dass es gar nicht wenige Pferde waren, die da wieder zum Vorschein kamen. Auch manches darunter, das von weit her war, das lahm, verwundet und eitrig zurückgelassen, eingefangen und ausgeheilt worden war. Aber das meiste waren doch die Geretteten aus den Verstecken. Denn, um das Pferd zu retten vor den Zettelquittungen von Freund und Feind, haben die Huzulen und Huzulinnen alles darangesetzt und versucht.

So berichtet ein ehemaliger Kanonier, dass er beim Rückzug aus der Bukowina mit seiner Abteilung in den Ort Moldawa-Sulitza kam. In dem Hause, wo er nächtigte, hörte er die Nacht hindurch unerklärliche Geräusche. Spionage witternd, wie das damals üblich war, weckte er einen Kameraden; sie schlichen um das Haus und durchsuchten die Räume, ohne etwas zu finden. Bei Tagesanbruch, als schon die Abteilung abmarschbereit war, vernahm der Kanonier vom Haus aus abermals dieses Geräusch, das von der Mauer ohne Tür und Fenster kam. Nun kletterte er auf den Dachboden, fand unter schütterem Heu eine Falltür; als er sie öffnete, wieherten ihm von unten aus dem Finsteren zwei in die Kammer eingemauerten Pferde entgegen. Er meldete dies, die Wand, wo die vermauerte Tür zu vermuten war, wurde aufgebrochen und da kamen zwei prächtige Huzulenstuten heraus. Aber auch gleichzeitig aus der Nachbarschaft ein alter Bauer, der flehentlich um seine Pferde bat; jedoch nichts als einen gewissen Zettel erhielt. Drei Tage und Nächte folgte der Greis der Abteilung durchs Gebirge nach, um die Stuten zurückzubekommen, oder aber: man möge ihn bei ihnen belassen, auch ihn mitnehmen, er werde Dienst machen wie jeder andere. Er erreichte, dass ihm die Stute zurückgegeben, für die andere eine lahme bessarabische Stute ausgetauscht wurde. Auf den Vorhalt, wenn die Pferde von den Österreichern nicht genommen werden, so nehmen sie die Russen, erwiderte er: Jetzt weiß er schon woran er ist, er geht mit den Stuten nach Perkalab und über den Fluss, wo kein Russe und kein Österreicher hinkommt. Nahm die Stuten und ging dorthin.

Solcherart war der spärliche Rest von Pferden im Lande, der von einem 50jährigen Zuchtaufbau in der Huzulei verblieben war, bevor sie zur Aufteilung unter drei Staaten kamen.



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